Fediverse

Mein Umzug in das Fediverse und meine Erfahrungen damit.

Im Herbst 2022 bin ich in das Fediversum gezogen. Auf Twitter hat es gebrodelt und Timeline und App wurden unbrauchbar, weil mir zu dem Zeitpunkt schon Massen an "sponsored Tweets" vorgelegt worden sind. Werbung ist der Grund, warum ich 2023 fast kein Facebook, Instagram und Twitter mehr benutze. Dass Twitter durch die Übernahme von Elon Musk auch noch einen ganz eigenartigen Spin bekommen hat, hat meine Unlust nur noch gesteigert. Silicon Valley Oligarchen (und spannend, wo sind die ...innen?) sind neben dem Internet-Business-Model "Aufmerksamkeit" für mich der zweite und inzwischen noch drängendere Punkt, um von den "großen" Social-Media-Diensten loszukommen. Hier verdienen skrupellose, nihilistische, teils wahnsinnige Psychopaten Milliarden an US-Dollar durch unsere Zeit und Naivität. Das kann sich diese Welt nicht leisten, die sind zu teuer!

Im November 2022 war es dann soweit. Mastodon war im Gespräch und ich habe meine Sachen gepackt und bin umgezogen. Über social.bau-ha.us ging es zu social.vivaldi.net und dann weiter zu kolektiva.social. Die steife Brise aus Rechts stärkt meine Überzeugung, dass sich die progressiven Stimmen wappnen müssen. Das kolektiva scheint mir hier ein guter Hafen zu sein. Aber der Server liegt in den USA und ich bin mir nicht sicher, wie stark hier die Brandmauer sein wird. So überlege ich mir einen Umzug nach Wien in Richtung fedi.at, auf deren Server ich den Account für das Zentrum polis angelegt habe.

Dann habe ich im Sommer 2023 firefish (vormals calckey) entdeckt. Die Features auf diesem neuen Anbieter im Fediversum haben mich fasziniert, aber es gibt Gründe, weshalb ich dann doch wieder zu Mastodon gewechselt bin. Was hat mich aber an firefish besonders fasziniert? Ich mochte die Ansätze und Features, die kleinen Werkzeuge, die diesen Dienst spannend gemacht haben.

Firefish macht großen Spaß, aber mit der Zeit musste ich für mich entdecken, dass alle Features nur soviel Sinn machen, inwiefern sie auch im ActivityPub-Protokoll synchronisiert werden. Ich liebe die Clips, aber sie nützen einem nur, wenn die anderen Follower*innen ebenso Firefish benutzen. Dieser Umstand lässt mich wieder zurück auf Mastodon wechseln, weil die wenigen Features haben auch den Vorteil, dass die Kompatibilität steigt. Am Smartphone benutze ich sehr gerne Ivory und das versteht den Code von Firefish gar nicht bis nur bedingt. Und mir geht die Funktion ab, eine automatische Löschung meiner "Notes/Toots" definieren zu können.

Über dieses Löschungs-Feature bei Mastodon gibt es Diskussionen, aber ich halte das für einen sehr klugen Ansatz. Unbegrenzte Speicherung führt zu Profilen, die ausgewertet werden können. Dieser Umstand kann einem selber von Nutzen sein, den wirklichen Profit aus der Speicherung der Daten schlagen aber die Anbieter der Social Media Dienste, weil sie die Analyse der Profile überhaupt erst ermöglicht. Es braucht eine gewisse Masse an Daten, um aussagekräftige Werte zu bekommen.

Wir brauchen uns natürlich keiner Illusion hingeben. Daten sind, sobald sie im Netz öffentlich zugänglich sind, im Cache der großen Festplatten. Ich bin auch skeptisch, ob der Befehl für Suchmaschinen, nicht zu indizieren, wirklich eingehalten wird. Ich gehe mal davon aus, dass dies nicht passiert. Insofern ist ein Löschen für mich und wohl weniger de facto. Aber das ist oft im Leben so und wichtig ist es, trotzdem Sand im Getriebe zu sein. Es ist eine Art ziviler Ungehorsam, der es den Maschinen unbequem macht. Dies dient auch als Vorbildwirkung, um andere User:innen zum Nachdenken anzuregen und auch davon zu überzeugen, sich ihrer/seiner Datenspur bewusst zu werden.

Was jetzt?

Ja, das frage ich mich. Das finden eines geeigneten Servers ist gar nicht so einfach, das kann ich aus eigener Erfahrung beschreiben und mein Weg veranschaulicht das auch recht schön. Aber das ist meist gar nicht der Fehler der Server, sondern das Problem mit der gegenwärtigen Situation von Social Media an sich. Ich bin hier mit mir selber nicht ganz einig. Flickr ist inzwischen mein stabilster Hafen, Wordpress ist ok, diesen Beitrag schreibe ich aber auf Kirby, weil mir der Weg, der sich für Wordpress vorzeichnet, auch nicht so ganz geheuer ist. Auf Instagram sind alle meine Freundinnen und Freunde, aber ich ertrage diese viele Werbung dort nicht und Stories könnte ich auf den Mond schießen. Auf Twitter hatte ich schon ein nettes Netzwerk, aber wir wissen alle wohin X führen wird, ich muss das nicht weiter ausführen. Ein weiterer, neuer zentraler Dienst aus den Vereinigten Staaten ist aus den schon angeführten Gründen für mich nun absolut ausgeschlossen. Und das förderierte Netz?

Um ehrlich zu sein, ich bin skeptisch. Aber es ist für mich eine feine Nische. Von social.bau-ha.us bin zu social.vivaldi.net gezogen, weil ich die Diskussion um Server blocken zu kleinteilig und unproduktiv gefunden habe. Ein soziales Netz ist für mich in erste Linie offen und erst in zweiter Linie ein sicherer Hafen. Wer das braucht, ok, aber man kann es ja für sich aussuchen. Social.vivaldi.net ist an den Vivaldi-Browser gebunden, ein stabiler Server, gut gewartet, offen und groß, schien für mich optimal. Aber hier ist mir die Bindung an einen Chrome-Fork Browser unheimlich. Wie weit kann der Source-Code von Chrome wirklich von Google-Interessen unabhängig agieren? Ich glaube hier nicht an die Versprechungen, weil zu oft habe ich schon erlebt, dass Zusagen hier gebrochen werden mussten. Kolektiva.social war mir dann so sympatisch, weil mich dort niemand genervt hat, wenn ich mal politisch geworden bin. Es gibt für mich kein nicht-politisches soziales Netzwerk und wenn ein Server das von Angang an akzeptiert, desto besser. Andererseit ist die explizite anarchistische Blase in der Föderation schon auch eine Angriffsfläche. Der Sync funktioniert nicht smooth, der Server steht in den USA und wenn sich der Wind dort dreht, sind die Festplatten weg. Davon können wir ausgehen. Da wurde Firefish spannend, das federation.network ist nice, ich mag die Features, aber sie machen keinen Sinn, wenn der Rest der Blase nicht mitzieht. Habe dazwischen auch ein wenig Pixelfed ausprobiert, aber soll man eine per se schon kleine User-Bubble noch weiter separieren? Das ist keine Freiheit, sondern freiwillige Isolation. Daher wieder zurück zu Mastodon und dann doch vielleicht zu fedi.at, weil der Server in Wien steht, wo ich wohne und ich habe mit dem dort schon betriebenen Server gute Erfahrungen gemacht.

Ihr seht, es sind oft sehr persönliche Gründe, die meine Wanderung durch das Fediverse auszeichnen. Und eigentlich ist es ja cool, dass eine solche Wanderung auch möglich ist. Ich konnte die Dienste wechseln, ohne große FollowerInnen-Zahlen einzubüßen. Das ist für mich eigentlich die spannendste Erfahrung und Erneuerung, die das föderierte Netz für mich gebracht hat: Es gibt ein Netzwerk an User:innen, denen das freie Internet wichtig ist, die die netzpolitische Relevanz der Technik erkennen und sich davon leiten lassen. Das sind die Menschen, die wir in Zukunft brauchen werden, weil dieses Bewusstsein wird unsere zukünftige Gegenwart gestalten. Ich sammle Kontakte, bilde ein Netz und wappne mich damit für die dunklen Tage die kommen werden. Und ja, es wird wirklich dunkel werden, glaubt es mir! Das ist auch ein Grund, weshalb ich inzwischen zum Schluss gekommen bin, dass bei der Auswahl des Servers eine lokale Verankerung relevanter ist, als die Übereinstimmung von Interessen. Ich sehe die Technik schon immer noch als eine Brücke in die Realität und sie besitzt für mich keine Relevanz, wenn sie rein virtuell bleibt. Daher macht eine globale Vernetzung Spaß und oft auch Sinn, aber wir dürfen nicht vergessen, die lokale Ebene immer mitzudenken und v.a. dürfen wir die Region in der wir Leben nicht so einfach aufgeben.

Also wechsle ich wieder einmal meine Instanz.

Durch den Umstand, dass ich meine Toots nach einem Monat automatisch löschen lassen, macht den Umzug von Content irrelevant. Meine Bilder sind ja fix auf Flickr und auf meinem Blog gespeichert, das soziale Netz ist nur Anker, Wegweiser und Snapshot und ich denke dieser Modus ist auch gut so. Ich lebe jetzt im Social Media Zen Garten.

to be continued ...